„Orientalen sind gute Erzähler. Und ich habe viel zu erzählen“. Über Afghanistan.

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Politikwissenschaftler und Doktor der Philosophie, Matin Baraki zu Gast in Pfaffenhofen. Ein Abend über leidvolle Erfahrungen.

Afghanistan, seit Jahrzehnten ein Spielball der Mächtigen im nicht enden wollenden Ost-West Konflikt. Eine Bevölkerung, die uns Deutsche anfangs sehr viel Sympathie entgegenbrachte, bis ein gewisser Oberst Klein im Jahr 2009, bei einem Angriff auf einen Tanklastzug in der Nähe von Kundus, afghanische Zivilisten und deren Kinder bombardieren ließ.

Diese durch einen deutschen Offizier verursachten ca. 100 Toten waren die Ursache, warum Deutschland jetzt auf der Skala der in Afghanistan skeptisch beäugten Nationen in die Nähe der ganz oben stehenden USA rückten. Und deutsche Soldaten besetzen als Teil einer NATO-Truppe noch immer dieses Land. Ein seit 16 Jahren zum Scheitern verurteiltes Unterfangen, denn Afghanistans Geschichte zeige, so beschreibt es zumindest der Politikwissenschaftler Dr. Matin Baraki, „der Afghanistan Konflikt kann militärisch nicht gelöst werden“.

Supertalent“ gegen Afghanistan, „Kelly Family“ gegen Matin Baraki. Das waren einige der Gegensätze, zwischen denen sich die Pfaffenhofener am Samstag entscheiden konnten. Viele zogen der Fernsehunterhaltung einen politischen Abend über Afghanistan vor. Der Hofbergsaal, in den Bernd Duschner vom Verein „Freundschaft mit Valjevo e.V.“ zum Vortrag mit dem in Afghanistan gebürtigen Politikwissenschaftler Dr. Matin Baraki geladen hatte, war am Samstagabend gut besucht. Anwesend waren sowohl Einheimische als auch neuhinzugekommene afghanische Asylbewerber aus Pfaffenhofen. (Eine bereichernde Mischung, wie die Wortmeldungen im Anschluss an den Vortrag zeigten)

Der Abend, er war überschrieben mit „Afghanistan – Eine Bilanz nach 16 Jahren Besatzung“, begann mit einem geschichtlichen Ausflug in die Antike und Alexander dem Großen, streifte die Afghanistan-Strategie Deutschlands zu Beginn des 1. Weltkrieges, die Gründung der Republik Afghanistan und der Rolle der US-Strategen Zbigniew Brzeziński und Henry Kissinger und endete mit den Auseinandersetzungen der Sowjetischen Armee und der derzeitigen Besatzung durch NATO Truppen.

Das Ergebnis: Die Afghanische Wirtschaft ist zerstört. „Was es noch gibt, sind die Tonnen an Rauschgift die in Afghanistan produziert werden“, beklagt Dr. Baraki den Zustand seines Landes, „in dem die jungen Menschen keine Perspektive mehr haben, trotz Schulbildung oder Studium keine Arbeit finden und somit das Land verlassen“.

Es gibt keine afghanische Familie die von diesem Krieg nicht betroffen ist.

Dr. Baraki deutet dabei auf eine Gruppe unter den Zuhörern. Afghanische Asylbewerber die zusammen mit Bürgern aus Pfaffenhofen den Beschreibungen seiner und ihrer früheren Heimat lauschen „Dort sitzt die Zukunft Afghanistans. Euch brauchen wir in Afghanistan“.

Als die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, wir machen die Grenzen auf, standen täglich bis zu 8.000 Menschen vor den Passämtern in Afghanistan“ schildert Baraki die damalige Situation und die damit zum Ausdruck gekommene Perspektivlosigkeit der Afghanen.
Warum? „Die Hauptursache, dass Leute keine Perspektive haben, ist der Krieg“ analysiert Baraki und zitiert einige Punkte aus seinem 18 Punkte umfassenden „Vorschlag für eine Friedenslösung des Afghanistan-Konfliktes“, der HIER in Deutsch oder Afghanisch abrufbar ist.

  • Angefangen vom Waffenstillstand,
  • der Ablösung der NATO-Einheiten, durch eine aus Einheiten der islamischen und Blockfreien Staaten gebildete „International Security Assistance Force“ (ISAF) – (Vier Fünftel -80 %- aller UN-Blauhelmsoldaten kommen aus den Blockfreien Staaten, warum nicht auch in Afghanistan),
  • der Vorbereitung einer Ratsversammlung unter der Kontrolle unabhängiger internationaler Organisationen, wie Friedens, Frauen, Studenten und Gewerkschaftsbewegungen.
  • bis zur Abschaffung der Atomarsenale Indiens und Pakistans. (Dadurch könnte eine der konfliktreichsten Regionen des asiatischen Kontinents zur Zone des Friedens, der Stabilität und der Prosperität werden.)

In der Hochphase des Krieges von 2001 bis 2014 kostete der Krieg in Afghanistan wöchentlich 1,5 Milliarden Dollar“ rechnet Baraki vor. „14 Jahre, jede Woche 1,5 Milliarden Dollar. Mit einem Viertel dieses Geldes können wir in den nächsten 20 Jahren Afghanistan komplett wieder aufbauen“ ist Baraki überzeugt.

Der Afghanistankonflikt kann militärisch nicht gelöst werden.

Beim Aufbau des Landes könnte ein Umstand helfen, den man in Deutschland bei der Bewältigung des Problems abgelehnter afghanischer Asylbewerber noch nicht ausreichend erkannt habe. „Nicht abschieben, sondern ausbilden“. Wer in Deutschland in den verschiedensten Fachrichtungen den Umgang mit der Materie, mit Materialien und Maschinen gelernt habe, werde zurück „in Afghanistan Deutsche Produkte bevorzugen“ ist sich Baraki seiner Sache sicher. „Damit schaffen wir Bedingungen, für kulturelle, wirtschaftliche und technische Zusammenarbeit“.

Als Intellektueller mit Migrationshintergrund habe er aber auch „eine Verantwortung gegenüber der deutschen Bevölkerung“ und spricht dabei etwas an, „wofür man einen Deutschen sofort wegen Rassismus angreifen würde“ bereitet Dr. Baraki seine Zuhörer auf seine Sicht der sozialen und kulturellen Veränderungen in Deutschland vor.

Mit der Migrationsbewegung bekommen wir in Deutschland „Kulturen, die eigentlich überholt sind“. Menschen die aus einem islamischen Kulturkreis kommen, sind schwer integrierbar. „Wir können keinen deutschen Islam schaffen. Wir können nur Euro-Muslime schaffen“.

So gut es sei, Pro Asyl oder Pro Flüchtlinge zu sein, „die Probleme mit schwer Integrierbaren sollten wir immer im Hinterkopf behalten“. Ebenso die Tatsache, und die afghanische Geschichte zeige es, „der Afghanistan Konflikt kann militärisch nicht gelöst werden“.

Nach dem Vortrag führte ich ein Gespräch mit Dr. Bariki und Hr. Duschner zum Thema. Hier das Video dazu.

Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.

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